Kein Gedicht

Ende einer Ära

Das Wort „Graf“ kann man von der Wortherkunft einerseits als „Schreiber“, andererseits als hohen römisch kaiserlichen Finanzbeamten deuten. Beides trifft bei dem ehemaligen Betreiber des Etablissements Graf (vormals Bahnhofswirtshaus) zu. Nicht nur als Schreiber bei unzähligen Kartenpartien, auch als Clubchef der Sonderklasse ist und war er uns bekannt. Was meine ich mit Sonderklasse? Nun, es war kein (offizielles) Gasthaus, es war für mich und einer kleinen Herde  Kulturmenschen im Raum Sulz definitiv mehr. Ein Achterl Wein ist bald wo getrunken, ein zweites auch, aber ab dem dritten und vor dem ersten braucht man eine Atmosphäre der sinnvollen Leidenschaft, damit der Schuss nicht nach hinten losgeht. Formulieren wir es vorschichtig als Geborgenheit, wenn es einen Tisch, oder eine Budel gibt, wo Mann und Frau so reden können, wie ihm oder ihr der Schnabel gewachsen ist. Wo man Dinge erfährt oder manchmal auch los wird, die einem das Herz erleichtern. 

Wie aber war das Wunder der einfachen und hohen Kunst der Geselligkeit möglich? 

Die Empfangsdame, gleichzeitig auch Servicechefin, leitete das operative Geschäft, Gäste kamen und gingen, der Graf sah, sprach und genehmigte sich und uns etwas. Man spielte mit Worten, Karten und Neuigkeiten, als ob es kein Morgen gäbe.

Aber es gibt ein Morgen, zwar ohne Etablissement Graf, aber mit einer starken Erinnerung.

Der ehemalige Montagskunde 
Manfred Linhart

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