An meiner Arbeitsstelle (da arbeiten ungefähr 2000 Menschen) gibt es zur Zwischendurch-Erholung für Angestellte ein neues, mehrdeutiges Angebot. Einen Massagesessel, deponiert in einem kleinen Separee – einem quadratischen Zimmerchen mit weißen Wänden. Ihn in Anspruch zu nehmen funktioniert so: Du gehst möglichst unauffällig an der Tür vorbei und siehst nach, ob das Schild „Betreten verboten“ an der äußeren Türschnalle angebracht ist oder nicht. Im günstigen Fall ist der Raum frei. Dann siehst du dich unauffällig um und betrittst möglichst ungesehen das Kämmerchen. Du bist nun allein mit diesem Wundersessel. Du kannst wählenzwischen: 10minütiger, 20minütiger oder 30minütiger Massage – mit oder ohne unterschiedlichsten Affirmationen zum Tag und zum Leben, mit oder ohne Meditationsgetingel, mit oder ohne Lichtimpulse. Weitere Person befindet sich keine im Raum. Aber du fühlst dich nicht allein, weil dich eine behutsame Frauenstimme über einen Kopfhörer in die hohe Kunst der kurzen Entspannung einführt und durchbegleitet: „Ich entspanne mich und sammle Kraft und Energie für die Aufgaben des Tages“, „Ich möchte meine Arbeitskollegen mit Würde und Liebe begegnen“. Rosenkranzgebet in Einheitsreligionssprache quasi. Die Massage selbst: Für einen Sessel gar nicht so schlecht. Das alles für mich allein im stillen Kämmerlein, ohne das Jemand Hand anlegt.
Beim Verlassen dieser neuen Errungenschaft schäme ich mich fremd. Für das, was sich Menschen an Absurditäten so einfallen lassen.
Beim Nachhausefahren schnappe ich in den Nachrichten noch eine beruhigende Information auf: „In wenigen Jahren werden wir den besten Sex unseres Lebens mit Robotern haben.“ Die Zeit arbeitet für uns!
Ist es doch besser zu denken, dass man auf dem falschen Stern lebt, als zu erfahren, dass es den richtigen gar nicht gibt. Wohin tendieren Sie?
eine nach wie vor verspannte Plößnig
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