12. August 2018

Plößnig!

Vorweg: Sie leben ja richtig wieder. Nachweg: Ich auch. Ich habe ihren Mann und  – wie er sich selbst definiert  – „Urlaubschaffeur“ dazu bewegen können, mir seine Sicht der Italienreise zukommen zu lassen. Also hier exklusiv ihr Mann:

Bassano del Grappa im August 2018

Wenn der Morgendunst über den Monte Grappa aufsteigt, kündigt sich ein heisser Tag an. Tropennächte sind hier sowieso all inclusive. Im Krieg gegen Österreich hat es einmal so stark geregnet, dass die Schlussoffensive vertagt werden musste. Es hätte nie aufhören dürfen zu regnen.

Die Stadt am südlichsten Zipfel der Kalkalpen durchfließt der kühle 174 km lange Brenda  Keine Ahnung, warum ich mir diese Zahl merke. Sein Mündungsstück wurde einst zum luxuriösen Kanal für den Landadel umgebaut. Endstation Markusplatz, Venedig, samt Künstlern und Komödianten. Heute beherbergt der Fluss (hauptsächlich in Städten) auch Ratten.

Bassano, wörtlich „vor dem Berg“, entspricht den italophoben Romantikansprüchen durchwegs. Die Burg anno 998, auch diese Zahl lässt sich nicht aus meinem Kopf löschen, Palladios Renaissancebrücke, Franziskanerkloster – heute das schwer attraktive Stadtmuseum, Piazzas, Gassen und Häuser, alles wie hingemeißelt und kulinarisch perfekt umspielt. Einziger Störfaktor sind der Auto- und Motorradverkehr. Die Innenstadt liegt quasi am goldenen Schnitt. Nur am Freiheitsplatz, bestückt mit ausschließlich historischen Bürgerhäusern, erscheint mir als einzig nicht gelungene Fassade jene der Barockkirche.

Ein Abstecher führt in die Weinwelt um Valdobbiadene. Aus der Distanz erscheint es wie Bacchus‘ Sommerlager oder der Olymp in Weingartengestalt. Wenn du dann in den Weingärten stehst, verbrennt dir die göttliche Sonne das Haupthaar und der geschätzte winterliche Arbeitsaufwand neigt sich aufgrund der fehlenden Flachstellen ins Unmenschliche. Noch entsetzlicher stelle ich mir hier nur mehr die Mühe von Radfahrern vor, deren es aber dennoch weit mehr gibt als Winzer. Im Übrigen empfinde ich den Marketingexportschlager Prosecco geschmacklich weit hinter dem Wein, aus dem er gemacht ist. Das Gesetz, dass Massenexport die Seele der Weinregion zerstört, geht hier recht schön auf. Der eine Winzer, den ich beim (von meiner Begleitung inszenierten ) Verkaufsgespräch kennengelernt habe, scheint ein freundliches, sehr fleissiges Muttersöhnchen mit weissem Audi Coupee zu sein. Die Familie im klassischen Sinn funktioniert in Italien noch recht gut. Vor allem im Negativbereich. Gute Mütter töten (im Sinne von entmündigen) ihre Söhne noch bei Lebzeiten. Der Winzer hat dennoch Hoffnung auf eine bessere Zukunft und baut aus. Unterstützt von der EU mit € 85.000 Förderung, nicht zu verwechseln mit einem Darlehen.

Dass ich mich bei meiner schönen Begleitung durchgesetzt habe, jeweils am Anfang UND am Ende der Reise einen Abstecher zum Meer zu machen, grenzt an ein Wunder. Chaffeursbonus sozusagen. Es gibt da einen Trick, um einen Ort wie Caorle auch für den Individualkulturmenschen zugängig zu machen: Blick in Richtung Süden. Dann Anbringung einer Scheuklappe an der Ostseite des Sonnenhutes. So wird jener Teil des Strandes mit den aufgestapelten menschlichen Ölsardinen unsichtbar und der Blick auf das Meer entspannt wie auf einer historischen Phototapete. Einzig beim Schwimmen gehen muss ich mich an den Massen kurz vorbei schummeln, aber nach ca. 200 Metern gen Horizont fühle ich mich plötzlich so alleine wie zu Hause in der Badewanne. Auch das Rückenschwimmen bei der Landkehr hilft.

Zurück ins Veneto. Die Schönheit und Traurigkeit der Landschaft ergänzen sich. Meine österreichische Seele, zutiefst dem Meerzugang beraubt, fühlt sich hin und wieder fremd in der europäischen Heimat. Ein Luxusproblem angesichts der Zwangsvölkerwanderungen rundum.

Auch ich finde neben meiner Frau keinen vernünftigen Zugang zum „1. Architekten“ Palladio, dem ein gigantischer Bauaufschwung in der Renaissance gelungen ist. Der Einsatz der Antike in Ehren, aber den Sexappeal der Gotik erreichen diese Werke einfach und kompliziert nicht. Das schönste Haus, das ich in Norditalien zu Gesicht bekam, ist der romanische Stephansdom von Caorle, samt schiefem Glockenturm daneben. Schlicht, schnörkellos und freizügig, wie es im Katholischen nicht immer der Fall ist.

So. Ich danke Ihrem Gatten für seine netten Ausflüge und -führungen. Seine Worte klingen irgendwie so, als ob ich selbst dabei gewesen wäre. Also danke für’s Mitfahren, Ihnen beiden.

Liebe Grüße: Der andere Linhart.

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