3. März 2018

Das hätte ich mir nicht gedacht, dass Sie mit mir spontan auf´s Eis gehen.

Der Tipp ihres tschechischen Arztmitarbeiters, eine gänzlich neue Wasserperspektive von Schloss Lednice und dem gegenüberliegenden Minarett zu bekommen, ging aber so was von auf.

Der Mensch ist zum Gehen geboren, am Eis laufen wir nur. Die Kufen unserer Schuhe zeichnen langgezogene Muster in den Flugschnee. Hin und wieder knackst es gehörig. Mann spielt Eishockey, junge Paare schieben Kinderwägen auf der gefrorenen Wassergalaxis vor sich her. Sie meinen, hier könne man sehr leicht Baybies stehlen. Aber wozu, frage ich Sie?

Das Zweitschönste nebst der ungewöhnlichen Naturimpression, ist für mich das Eisschuhe ausziehen. Wie leicht der Gang doch wieder wird ….

Das Palmenhaus schien Sie ja besonders zu beindrucken. Die Perfektion von bewusst Sinnlosem. Der Kaffee an der fast schon frühlinghaft erwärmten Außenmauer des Cafe´s macht Sie glücklich. Ich beobachte das inspiriert.

M.

26. Feber 2018

Liebe Plößnig!

In der scheinbar kältesten Woche des Jahres klebt mein Verstand am Kachelofen. Wenn ich ihnen nicht schreibe, sind sie sehr kühl zu mir. Was aber ist Wärme langfristig wirklich?

Das jüngste Gericht war in der Kunst als Thema sehr beliebt. Ich halte es heute für ein unzureichendes Motiv an der Kante der Unvergänglichkeit. Bestrafung setzt Eifersucht voraus. Dem kann ich nicht folgen.

Sie beobachten viel. Ungefähr so viel, wie ich (Ihnen) nicht schreibe. Ich habe kein literarisches Gewissen. Nicht einmal ein schlechtes. Ich bin ein gutmütiges Scheusal.

P., wir müssen wieder fort. Wie wär´s mit Italien?

Leben sie ruhig!

Ihr Hr. von Linhart

3. Februar 2018

Lieber Linhart! Können Sie mit dem Jüngstes Gericht etwas anfangen?

Wieder ein Jahrhunderte altes Bildnis, das mich staunen macht. Auf einem Flügelaltar sind für den Himmel ca. 5% der gesamten Fläche verwendet. Die restlichen 95% sehe ich dicht besiedelt mit Teufel, Tod, Feuersbrunst und unzähligen Darstellung detailverliebter Gewalttaten, zu denen der Mensch fähig ist.
Die Betrachterin ist in der Gegenwart angekommen. Kein Kunstvermittler ist notwendig, um zu verstehen, dass sich grundsätzlich auf dieser Erde nicht viel geändert hat.

Die Tür zu und dann Himmel! Geht’s so, Linhart?

21. Jänner 2018

Wer dem lieben Gott ins Fenster schaut, langweilt sich nicht; er ist glücklich. (Milan Kundera)

Ich steh dem Verduner Altar unmittelbar gegenüber. Es ist wie ein unerwartetes Wiedersehen mit einem verschollen geglaubten Geliebten aus frühen Jugendtagen. Mehr als staunendes Schweigen kommt nicht über meine Lippen. Die körperliche Anziehungskraft hat sich über die Jahrhunderte hinweg nicht abgenützt.

20. Jänner 2018

Na endlich, lieber Linhart!
Sie sind noch da. Irgendwo.

Ist für Sie Schreiben eine Therapie?
Hoffentlich nicht! Denn, hätten Sie keine Probleme, gäbe es keine Notwendigkeit zum Weiterschreiben …das wäre schade!
ABER:
Solange Sie regelmäßig Zeit in einschlägigen Kneipen verbringen, mache ich mir keine ernsthaften Gedanken um Ihr Wohlbefinden – höchstens, dass auch Sie zum Alkoholiker werden. Wie der Roth.

(Früher hatte ich meine Mutter immer belächelt, dass sie so viel arbeitet. Aber das musste sie, um sich vom Leben abzulenken!)

Vielen Menschen stellt es die Haare auf, wenn ich mich als Seelsorgerin vorstelle. Das kann ich gut sehen. Im besten Fall denken sie dann an den Tod. An die Endlichkeit des eigenen Lebens. Die schlechteren Fälle aufzuzählen, erspare ich mir und Ihnen.
Auch ich trag mindestens ein solches Vorurteil mit mir herum: Erkenne ich in meinem Gegenüber einen FPÖ Wähler, denke ich im besten Fall, da fehlen in erheblichem Maße Vitamine, die die Gehirnfunktion aufrecht erhalten.
Man sieht nur das, was man weiß. Stimmt’s?

17. Jänner 2018

Liebe Plößnig!

Einmal soll ich gesagt haben, wer eine Bühne betritt, sollte die Absicht des Sterbens (wenn geht: humorvoll) an sich tragen. So bin ich tot und lebe wieder. Ich spiele. Ich unterrichte. Ich wollte Ihnen dazwischen schreiben. Aber dazwischen ist kein Platz. Ich muss mir mehr Zeit nehmen. Zeit ist zur Zeit der einzige Luxus.

Sie bereisten Deutschland. Ich habe davon gehört. Ihre Tochter studiert am Rhein. Ich finde, nur ein trockener Riesling öffnet das Tor zur Natur.
Das, was sie über Regensburg schreiben, klingt inspirativ. Das Große passiert ausschließlich nebenbei. Wie oft sie recht haben. Recht haben ist der Anfang vom vernünftigen Scheitern.

Der jüdische Schriftsteller und Alkoholiker Joseph Roth sagte: „Der Wille ist mein Gott.“

8. Dezember 2017

Lieber Linhart!
Heute benehme ich mich einmal lehrerinnenhaft:

Der Dom in Regensburg wurde u.a. durch dem Erlös von Ablassgeldern aus der ganzen Welt gebaut. Obwohl ich das weiß, ist das Betreten dieses eindrucksvollen Gebäudes ein erhebendes. Die ganze Atmosphäre, die Bauweise, das Licht, die Fenster und die Stille lassen meinen Kopf ganz automatisch in die Höhe schnellen. Ein Gefühl der Geborgenheit, der Entrücktheit stellt sich ein. Ich mag das. Hat sich Luther doch geirrt und der erkaufte Himmel rechnet sich schon auf Erden? In etwas Gesamt-Kostbares zu investieren scheint ohne lange nachzudenken g’scheiter zu sein, als sich wieder einmal neue Klamotten zu kaufen. Die Lösung des Rätsels ist noch lange nicht in Sicht!

Der ansprechendste Ort in Regensburg bleibt für mich aber doch der kleine Garten, der zur Dombauhütte gehört. Neben historischen Fragmenten von verwitterten Bauelementen des Domes und einigen Heiligenfiguren aus Stein, lassen die Steinmetzte hier ihrem Humor freien Lauf und räumen z.B. einem schlafenden Trunkenbold und einem Comic-Drachen prominent Platz ein.

Bis wann? Ihre Plößnig

 

15. November 2017

Lieber Linhart!

An meiner Arbeitsstelle (da arbeiten ungefähr 2000 Menschen) gibt es zur Zwischendurch-Erholung für Angestellte ein neues, mehrdeutiges Angebot. Einen Massagesessel, deponiert in einem kleinen Separee – einem quadratischen Zimmerchen mit weißen Wänden. Ihn in Anspruch zu nehmen funktioniert so: Du gehst möglichst unauffällig an der Tür vorbei und siehst nach, ob das Schild „Betreten verboten“ an der äußeren Türschnalle angebracht ist oder nicht. Im günstigen Fall ist der Raum frei. Dann siehst du dich unauffällig um und betrittst möglichst ungesehen  das Kämmerchen.  Du bist nun allein mit diesem Wundersessel.  Du kannst wählenzwischen: 10minütiger, 20minütiger oder 30minütiger Massage – mit oder ohne unterschiedlichsten Affirmationen zum Tag und zum Leben, mit oder ohne Meditationsgetingel, mit oder ohne Lichtimpulse. Weitere Person befindet sich keine im Raum. Aber du fühlst dich nicht allein, weil dich eine behutsame Frauenstimme über einen Kopfhörer in die hohe Kunst der kurzen Entspannung einführt und durchbegleitet: „Ich entspanne mich und sammle Kraft und Energie für die Aufgaben des Tages“, „Ich möchte meine Arbeitskollegen mit Würde und Liebe begegnen“. Rosenkranzgebet in Einheitsreligionssprache quasi. Die Massage selbst: Für einen Sessel gar nicht so schlecht. Das alles für mich allein im stillen Kämmerlein, ohne das Jemand Hand anlegt.
Beim Verlassen dieser neuen Errungenschaft schäme ich mich fremd. Für das, was sich Menschen an Absurditäten so einfallen lassen.

Beim Nachhausefahren schnappe ich in den Nachrichten noch eine beruhigende Information auf: „In wenigen Jahren werden wir den besten Sex unseres Lebens mit Robotern haben.“ Die Zeit arbeitet für uns!

Ist es doch besser zu denken, dass man auf dem falschen Stern lebt, als zu erfahren, dass es den richtigen gar nicht gibt. Wohin tendieren Sie?

eine nach wie vor verspannte Plößnig

 

 

27. Oktober 2017

Ich mache Holz. Ich hole Wasser

Lieber Linhart!
Wahrlich, wahrlich, bin gut gereist! Und Ihre Euphorie scheint keine Grenzen zu kennen. Sie, derart überschwänglich – im Herbst? Sie schmeicheln mir – oder doch der ungarischen Stadt? Beides stört mich ganz und gar nicht.

Ein blassgelber Kürbis am Tisch, orange Ringelblume in der Vase, dunkelblaue Weintrauben in der Schüssel und tiefrote Rote Rüben Knödel auf meinem Teller. Das Bild heute auf dem Mittagstisch erfüllt mich mit Zufriedenheit. Heute kann ich erzählen, vom Nicht Unterwegs Sein, vom Alltag, wenn er einen ruhigen, fast meditativen Rhythmus vorgibt und ich mich sicher fühle in dem mir selbst gesteckten Rahmen. ich kann erzählen, dass die Stimmung im Garten so kurz vor dem Einbrechen des Regens dicht wird, dunkelgraues Licht und feuchte Wangen. Quasi Wolken, die nach mir greifen. Ich kehre Laub, ich bringe die frostempfindlichen Pflanzen ins Haus, ich schneide ein paar Herbstastern zurück und lege einige Tulpenzwiebel in die Erde. Eine Reise nach Innen.

Stets die Ihrige 🙂