22. Okt. 2017

Liebe Plößnig!

Dass sie mich bei unserem ersten gemeinsamen Ausflug nach Ungarn schleppen, mich als Chauffeur anstellen (um nicht degradieren zu sagen), mit mir essen und schlafen gehen, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen getraut. Echt gelungen. Wem verdanke ich das? Diesem Wiener Künstler mit Györer Wurzeln, auf dessen Spuren sie waren? „Jeder Zentimeter eine Geschichte“ schreiben sie über ihn. Geniale Formulierung. Da ist ein Katalog im Entstehen. Ich hätte gerne ein Exemplar, bitte.

Vier Flüsse vereinen sich in Györ, die kleine Donau bringt sie dann in die Große. Da sie mir relativ viel frei gegeben haben, konnte ich mir ein elegantes Bild von dieser sympathischen Stadt machen. Einst letzte Bastion gegen die Türken vor Wien, heute mit Thermalbad mitten in der Stadt, so groß wie Klagenfurt. Ich möchte nicht wissen, was politisch in dem Land vorgeht. Normalerweise bekomme ich einen Ausschlag bei rechtsnational. Ich sehe Studenten und einfache Menschen auf Rädern. Relativ wenig Snobismus. Das ist erholsam. Gut, das große Audiwerk haben wir ja nicht besucht, auch nicht die Modelleisenbahnfabrik. Dafür die große Donau, immer noch das Völkerverbindendste, was wir haben. Beim Reisen braucht man Augenzwinkern und keine Blindenschleife. Ich finde sie reisen gut, auch wenn ich fahre.

Ihr Leibchauffeur

20. August

Sein Glück in der Anarchie finden.


Es deprimiert mich, auf Menschen zu treffen, die Mitten im Leben so tun, als seien sie schon fast gestorben. Das Ganze mit trauriger Miene. Zum Beispiel, wenn der Partner stirbt, oder sich eine chronische Krankheit hintertückisch in die eigene Biographie einschleicht. Nicht, dass ich diese Schicksale auch als sehr belastend finden würde. Aber. So ein Sterben kann dann mitunter Jahrzehnte dauern. Mitten im blühenden Leben.

Ein Freund sagt dazu, jeder Mensch hat triftige Gründe für sein Handeln, Denken, Lassen. Das mag stimmen. Mir kommt zunehmend die Leidenschaft abhanden, solchen Dingen auf den Grund zu gehen.

Linhart, haben Sie ein besonderes Talent dafür, sich lieben zu lassen? Das ist doch eine bemerkenswerte Tugend, von der man viel mehr hat, als von vielen anderen…

Ich hab die Orientierung verloren.

Ihre Plößnig

18. August

“Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich;
aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln
und das Leben geht weiter,
als wär man nie dabei gewesen.”

– Karoline, in “Kasimir und Karoline” von Ödön v. Horvath

6. August 2017

Falkenstein
Weisser Kalkbruch
Hitzebeständiges Rebgrün
Altes und neues Gemäuer läuten
Einen Tag aus und ein

 

 

 

 

Liebe Plößnig!

Zwischen den Zeilen
Eines Weingartens
Tünkt mich in der Hitze
Meinem Herzen ist kalt

Obwohl sich der Erfolg
Stets um das Äußere bemüht
Wird die innere Ernte eines Sommers
Sozial wohl klein

Spring über
Deinen Schatten sagt
Sich so leicht
Bei Gegenlicht

Nur das Grün
Eines Engels und
Dessen Flügelwind

Stottern dem zart
Entgegen

Plößnig, worauf wird am meisten verzichtet?
Liebe, Sex, oder Demokratiefähigkeit?
Wenn sie an das zweite denken, liegen sie, wenn auch unberührt, richtig.

Ich schreibe mir ins Tagebuch der Lückenhaftigkeit:
Halte deine Spontanität bei Laune
und verzichte hin und wieder auf den Verzicht!
Lass erst alles beim Alten wenn du einen neuen Standpunkt hast.

P.S.: Plößnig, ich habe lange nichts geschrieben, aber jetzt fühle ich mich wie nach einem guten Friseurbesuch. Wie war ihr Sommerzwischenresümee?

 

16. Juli 2017


Am Berg.

Am Berg erfährt frau Neues. Zum Beispiel, dass über die Sommermonate auf Österreichischen Berghütten gastarbeitende Sherpas mitarbeiten. Die Welt wächst zusammen. Und meistens regiert Geld die Welt…

In der Luft.
Der Naturfreund erzählt eine Geschichte, die sich heute in dieser Weise wahrscheinlich nicht mehr zutragen könnte: Ein Bergretter soll einem Kollegen das Drachenfliegen beibringen. Beide befinden sich mit dem Drachenmodell auf der Gemeindealm. Lernender: Was muss ich tun? Lehrender: FLieg mir einfach nach!
Alle beide leben und fliegen heute noch!

Wasser.
Ich hab heute keinen Wein getrunken.
Was macht Ihr Weingarten, Linhart?

15. Juli 2017

Lieber Linhart,
unlängst war ich unterwegs rund um Mitterbach am Erlaufsee. Ungestillter Hunger nach wachen Augenblicken wird häppchenweise gestillt:

Guter Wein,
der zum Abendessen gereicht wird, kommt ausnahmslos nicht aus dem Weinviertel. Dieses – ca. 150 Klometer entfernt von hier – scheint ein unbekannter Fleck Österreich zu sein. Vor 25 Jahren, als ich mich in diesem östlichen Teil von Österreich sesshaft machte, war das noch ausgeprägter. Vom Rest der Welt quasi nicht gesehen zu werden. Das hat mir gefallen. Wenn schon im Abseits, dann am besten ziemlich ausführlich und unerkannt.
Das Abseits rückt immer mehr in die Mitte meines Daseins. Ich trage es mit mir herum. So ist es auch in diesem Gasthaus zu spüren, wenn der Wirt davon spricht, dass es ihm gefällt, nur mehr für Gäste zu kochen, die ihm zu Gesichte stehen. Dazu reicht eine kleine Gaststube. Dieses Mal hatten wir anscheinend das richtige G’wand an.

Die Hüttenwirtin erzählt
von einem Gast, der sie darum bittet, eine Weinbergschnecke für sie zu kochen oder davon das seine Frau vor der HÜtte hin und her geht – auf einen Zug wartend, der hier wohl nie vorbei kommen wird oder von einem Gast, der sich für die nächste Saison als “Tragesel” zur Verfügung stellt, damit die Wirtin die Lebensbittel nicht mehr mit dem umweltverschmutzenden Fahrzeug den schmalen Weg hinaufkarren muss oder davon , dass ihr gastronomisches Angebot für VeganerInnen darin besteht, die Möglichkeit bestehtl, sich bei den Früchten des Waldes rund um die Hütte zu bedienen
Selbstpflücken.

Der Naturfreund
wirkt wie jemand, der immer mehr zu einem Teil von ihr wird, ihr, der Natur.

13. Juli 2017

Lieber Linhart!
Weltschmerz am Donaukanal. Ich werde wegziehen aus dem Dorf. Innerlich vorerst einmal. Gedanklich lass ich mich mit dem Wasser wegtreiben. Nur weg vom Stillstand. Wein gibts fast überall auf der Welt!

11. Juli 2017

Jaroslavice


Verfallenes Schloss
Einsamer Teiche.
Verlassene Straßen.
Der Ort, für ein perfektes Verbrechen!
Linhart, das ist die Zusammenfassung meines Eindrucks eines Kurzbesuches im nahen Ausland. Die fremde Sprache verstärkt die Intensität meines ersten Urlaubstages.
Das Achterl Wein haben wir im angrenzenden Mailberger Schloss zu uns genommen!

16. Mai 2017

Liebe Plößnig!

Sie fragen sich zu Recht, was tut er weilwenn er nicht (zurück-)schreibt? Ich habe eine Kabarett- und eine Theaterproduktion aus der Wiege geholt und mit dem zumindest inhaltlichen Erfolg zu leben gelernt. Wissen Sie, das Theater ist sehr anstrengend, besonders wenn es schön ist. Außerdem kann ein Mann nur entweder Theater spielen oder leben.

Okay, Sie waren in Georgien. Auf einem (Weisheits-)Zahn der Zeit, scheint es. Die Männer dort faulenzen herum, während Russland fröhlich vor sich hin okkupiert. Allein schon Kulinarisch wäre ich sehr gerne dabei gewesen. Beim Wort Naturwein werden wohl beide Sachen grob unterschätzt. Europäische Weine sind techniküberladen, aber es ist sehr schwer, sich von etwas zu trennen, das funktioniert!

Gut, fliegen wir. Mit oder ohne ihren Mann?

P.S.: Ich weiß aus vertrauter Quelle, dass Sie nicht gerne fliegen. Da muss mir Tbilisi doch einiges voraushaben!

12. Mai 2017

Hallo Linhart,
noch was:

Beim Blick in das Schaufenster einer Wiener Buchhandlung springen mich neulich diese Buchtitel an:

Lassen Sie mich in Ruhe. (Erni Mangold)
Mein Wildgarten. (Meir Shalev)
Die Alm, ein Ort für die Seele.
Atlas der ungewöhnlichsten Orte.
Jungfer im Grünen und Tausendguldenkraut. Vom Zauber alter Pflanzennamen.
Hunde. In der Kunst.
Tatort Trennung.
Ungeheuer ist der Mensch.
Als Buddha noch ein Elefant war.

Manchmal reicht es einfach, die Überschriften zu lesen – oder bin ich mittlerweile von den Medien schon derart beeinflusst, dass meine geistige Aufnahmekapazität nur mehr für Ein-Wort-Sätze reicht?

Ich warte weiter. Plößnig