Lieber Linhart! Ich bin in Urlaub! Das sollten Sie wissen:
Bassano del Grappa
1 Der Mann am Nebentisch hat keine Hemmungen, schon vor 12 und in der erneut erstehenden, sengenden Mittagshitze ein Glas Prosecco zu bestellen. Er sitzt mit Blick auf das Franziskanerkloster. Seinen Prosecco bekommt er serviert mit einer Erdbeere und einem Schüsserl Chips. Sein Hund hat seine Schale mit Wasser schon ausgetrunken, bevor das Herrl den ersten Schluck macht.
2 Im Museo Comunale werde ich gleich zweimal überrascht. Das kommt nicht häufig vor. Das erste Mal, als ich sehe, dass in diesem Museum die Bilder mit der Rückseite nach vorne aufgehängt wurden und sich ein neuer Blick auf die Werke und eine ungekannte Neugierde auf das Dahinter, das ja im Normalfall das Davor wäre, einstellen. Das zweite Mal überrascht mich der Film über einen Künstler, der die Rückseite von Werken Alter Meister akribisch detailiert und täuschend echt nachkonstruiert. Nach dem Betrachten dieses Filmes möchte ich noch einmal mehr wissen, was hinter dem Dahinter zu sehen ist. Ist es echt, ist es eine Täuschung? Ich bin richtig beglückt darüber, keine Antwort darauf zu bekommen.
3 Ein Teil der Seele hat sich die Wirklichkeit gewählt, ein anderer den Traum . Beide haben sich ineinander vermischt, um meinen Tag zu bilden.
4 Vor nicht allzu langer Zeit trugen Menschen Babies auf dem Arm. Jetzt tragen sie Hunde. Das geht genauso gut.
5 Auf jedem Baum hing ein Partisane. Allzu dick sind die Stämme heute noch nicht, so jung wie die Burschen damals.
6 Im Keramikmuseum ist es kühl während man draußen auf der Straße um die 35 Grad misst. Trotzdem verirrt sich kaum jemand herein in die kühlen Räume und so steht es 2 zu 2: Mein Mann und ich und der Mann an der Kassa mit der Frau, die die Aufsicht innehat. Wir bevölkern also diese durchkomponierten Räume für eineinhalb Stunden zu Viert. Zum Ende hin sind wir uns richtig vertraut und ich schreibe einen freundlichen Satz, den ich ehrlich meine, ins Gästebuch. Wohl als Gegenleistung bekomme ich einen kleinen Katalog geschenkt.
7 Unsere Herberge betreiben drei Geschwister. Sie kommen mir vor wie drei Figuren aus der Commedia de L’Arte. Ein Weißclown. Ein Mönch. Eine Nonne. Sie üben sich in unaufdringlicher Höflichkeit – eine wohltuende Freundlichkeit. Das Frühstück ist wunderbar. Frisch. Vor allem die Kuchen lassen nichts zu wünschen übrig. Ich fühle mich rundum sehr gut aufgehoben.
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