Allerseelen

Zunächst: Erfolg ist positives Denken ohne die geringste Veranlassung.

Allerheiligen wird mir immer fremder. Ein Glaubensmartyrium erscheint mir sinnloser denn je. Allerseelen fängt mich am letzten Zipfel der kritischen Andacht auf. Alles hat eine Seele, auch mein Unmut.

Blick aus dem Hotelzimmer
Blick aus dem Hotelzimmer

Ich war in Mariazell. Gott sei Dank nur kabarettisieren. Als Schauspieler genieße ich den Luxus, mein Ich soweit zu verdrehen, bis es an die Realität wieder anklopft.

Josef Hader hat einmal gesagt, es gehört zur Psychohygiene eines Künstlers, dass man Auftrittsorte möglichst rasch wieder verlassen soll, womit er recht hat. Bei guten Auftritten wird es nicht besser, bei weniger erfolgreichen hält dich sowieso nichts mehr. Also, dieses Prinzip habe ich in Mariazell deutlich gebrochen und einen Tag und eine Nacht angehängt. Natürlich habe ich mich bemüht, möglichst unterirdisch zu leben, aber Mariazell ist nicht groß.

Die Kassadame beim Eingang in die Schatzkammer der Basilika hat mich sofort wiedererkannt. Ihr habe der gestrige Abend sehr gut gefallen, sie habe beobachtet, dass sich die Einheimischen mit meiner Darstellung der ländlichen Wurstfigur identifiziert haben, aber sie hing eher am intellektuellen Hr. Wichtig, da sie aus Holland sei.
In Amsterdam wäre es so was von teuer und grossstadtdings, auch sozial verwahrlost und alles. Jetzt habe sie ihren Mann zusammen gepackt und ein verhältnismäßig günstiges Grundstück in ihrem Urlaubsdomizil Mariazell gekauft. Da hab ich mir gedacht, die Frau ist sozial sehr mutig.

Nun bemerke ich Ihre Affinität zu Wien.

Die Schärfung ihres Verstandes scheint Ihnen abzugehen. Sie brauchen eine zwei Millionen große Herausforderung. Das tut ihnen gut. Ich würde gerne beobachten, wie sich ihre erdigen Schritte an die der Großstadt annähern. Ihr Strickmuster verrät ihre Identität. Bleiben Sie bei sich, dann sind sie auch bei mir.
Ergebenst Ihr Linhart

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