18. April 2019

Liebe Plößnig!

Sie sind zum wiederholten Mal in Triest. Ich sah Sie gestern mit ihrer Familie. Fragen Sie nicht, woher ich das weiss. Ich bin sozusagen inkognito auch in der Stadt.

Ich habe noch nie einen so schönen Parkplatz gehabt. Und das, obwohl mich der Autoverkehr in Triest sehr stört, aber die Parkplätze direkt am Meer in den aufgelassenen Hafenindustriezonen haben etwas Lyrisch-Praktisches: sie werden nicht verbaut. Ich bin meinem Auto fast neidisch, dass es dort die Nacht und den Tag verbringen kann.

Was ist Triest für sie? Literatur Café, Wanderstadt oder Kleineuropa am Meer?

Ich muss zuerst immer weinen. Zu Kaisers Zeiten war Triest ca. 500 Jahre unser Hafen. Lachen Sie nicht, aber mir geht der geraubte Meerzugang furchtbar ab. Nicht nur rein philosophisch, sondern realphysisch.
Das Meer öffnet den Freiheitssinn. 
Natürlich steht Italien politisch nicht besser da, aber umspülter.

Wir stehen mitten in den drei hohen Kartagen. Die Tragik des Karfreitags, die absolute Stille des Samstages und der ewige Frühling des Ostersonntages empfinde ich als große Herausforderung für unsere flache, wirtschaftsbezogene Welt.

Der Karst plus angrenzende Weinregionen rund um Triest bietet das versteinerte Meer als Terroir an. Faszinierend. Sie waren zweimal im Süden Sloweniens in der Naturweinszene. Ist Ihnen der Malvasier als mediterraner Botschafter aufgefallen? Im Weinviertel versteckt er sich als Frühroter Veltliner. Eine frühe, zarte und scheinbar einfach gestrickte Sorte, die für mich die beste Speisetraube der Welt zum Schmalzbrot ist.

Mir fällt auf, dass ich, wenn ich reise, die Lust am Trinken der nüchternen Beobachtung neuer Welten opfere. Ein Glas mehr am Abend kommt quasi nicht in Frage, weil ich morgens fast schon unerträglich ausgeschlafen neben meinem abgestellten Auto stehe und -aufnahmebereit bis zum Anschlag – ins Meer schaue.
Inmitten edel vergammelter Industrieruinen und einem alten, verrosteten, einst mächtigen Schiffskran.
Triest, ich muss dich leider wieder lassen.

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