Ich kenne jemanden, der stellvertretend für mich zwei Stunden lang einen Nagel anschaut. Der Nagel steckt in einer Palette.
Das wirkt.
Auf mich.
Nenne ich es Müßiggang? Muse? Oder Vita Contemplativa? Von manchen wird für dieses Nichtstun das Wort Faulenzen bevorzugt. Das wiederum ist nicht gut angeschrieben. Sowohl gesellschaftlich als auch bei mir persönlich. Meine Wahrnehmung jetzt, nachdem mein Körper sich während einer Krankheit auf Existenzielles konzentriert, spür ich die tiefe Sehnsucht nach diesem Talent, die Sehnsucht danach, dieses Talent zu pflegen. Und ich mein damit nicht eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, um danach noch effizienter sein zu können, sondern ein „In-Mir-Ruhen-Lernen“, ein Hören mit den Augen, ein Tasten mit den Worten, ein Atmen aus voller Lunge, ein Grübeln, ein Leben der Frage und letztendlich ein Vergessen der Frage…
Wie schmeckt Kaffee, der mir endlich wieder schmeckt?
Und wie wird wohl guter Wein schmecken, nach dem mich noch immer nicht gelüstet?
Wie lange komme ich ohne körperliche Berührung aus?
Was ist das Wichtigste, heute?
„Die Frauen tragen leuchtend gelbe Mimosensträuße durch die Straßen von Venedig…“ lese ich in der Zeitung. Ich stell mir mich vor, mitten unter ihnen, in meinem roten Kleid. In meiner Werkstatt gerate ich zur Zeit auf abwegige Gedanken.
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