19. Juli 2014

Liebe Plößnig!

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Fragen sie nicht, wo ich solange war. Mein Leben ist ein Ablenkungsmanöver, wovon ist mir selbst ein Rätsel. Am 14. Juli habe ich an den Geburtstag ihres Mannes und der franz. Revolution gedacht. Ja, es grenzt an ein Wunder, dass kaum jemand ob der beständigen Naturmisshandlungen auf die Barrikaden steigt. (Vielleicht weil es zu wenig Barrikaden im Handel gibt?) Ausbeutung und Rücksicht auf Mutter Erde passieren gleichzeitig, oft von denslben Menschen. Im Kapitalismus sind Täter und Opfer kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Ich erlebe gelinde gesagt unterschiedliche Tempi.  Wir Menschen haben uns technisch so rasant entwickelt, dass das soziale Vermögen im Umgang mit der Natur (also letztlich mit uns selbst) wie ein Holzbein hinterher zu hinken scheint.

Jammern hilft nicht immer, aber sich an ihrer Schulter ausweinen zu können, ist etwas Besonderes.

Genießen Sie den Tag. Nehmen Sie ein Bad und denken Sie an die Ostsee. Ich bin schon dort.

EinLinhart

 

4. Mai 2014

Lieber Linhart!

Empörung.

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Im Laufe des Monats April hatte ich des öfteren die Gelegenheit, für mehrere Stunden durch Wald- und Wiesenlandschaften im Süden Österreichs, mitten in den Bergen, zu wandern. Der körperlich hör-, spür – und schmeckbare Unterschied zum Spazierngehen in Niedersulz, auf den Äckern und neben den Weingärten des Weinviertels, machen mich wütend und krank, ohnmächtig. Überall wo ich geh und steh, „Gift“ in der Luft. Die Bauern in Süd- oder Westösterreich sind sicher nicht klüger als die hiesigen – jedoch erübrigt sich dort die Ausbeutung der Natur (und des Menschen?) bei aufgestellten Wiesen bzw. bei geringerer Anbaufläche anscheinend doch. Wer kann den Unfug in der Landwirtschaft stoppen? Wo beginnt er und wo endet er? Und, wie halten Sie das in Ihren Reden über Natur, Kapitalismus und Mensch und in Ihrem Tun in den Weingärten?

Beruhigung.

Das Meer mit Ihnen kann ich mir vorstellen. Die Ostsee kenn ich noch nicht! Stecken wir den Kopf in den Sand?

Ihre Plößnig

 

20. April 2014

Liebe Plößnig!
aprilgenoveva

Nein, bei der Pilzbestimmung tappe ich auch am helllichten Tag im Dunkeln. Schonen sie ihre Familie um Osterns Willen.

Die Karwoche verbrachte ich am neuen Stück schreibend in Mallorca. Das Ärgste hat man dort schon hinter sich, – die friedliche Kapitulation vor dem Hochtourismus hat schon vor längerem stattgefunden. Die Insel is(s)t ziemlich deutsch. Doch es gibt viele Hintertüren ins Spanische. Palma hat eine herrliche Innen-stadt die ganz schön draußen am Meer liegt. Ich verstehe die Partygeilheit vieler Touris nicht, diese Gegend muss man sich überhaupt nicht schön saufen.

Ich bin verkleidungslos Rad gefahren, am Karfreitag nach zig Kirchenvisitationen völlig enthemmt ins noch kühle Meer gesprungen, habe wenig gesprochen, gut gegessen und endlich Zeit gehabt, am Thema „Mensch, Natur, Kapitalismus“ zu bleiben.

das meer spielt mit einem blauen kinderball
zwei möwen stehen selbstbewusst im klimawandel
welle für welle bricht ein tag an

Liebe Plössnig, irgend eine Sehnsucht bleibt immer unerfüllt. Fahren sie mit mir einmal ans Meer?

28. März 2014

Schwerelos wie ein Neugeborenes.
Lieber Linhart!

ERSTENS
Alkoholfasten bewirkt bei mir jedes Jahr Folgendes:

Mein Blutdruck sinkt in unmessbare Tiefen. Gleichzeitig steigt meine Sensibilität jeder Art von Drogen gegenüber,  sodass der wilde Alltag nur mit enormer Kraftanstrengung zu bewältigen ist. Dem leichten Dauerschwindel entkomme ich so oder so nicht.

Mir bleibt nur, mich in Askese zu üben –  aus der reinen Freude an der Abwechslung. „Reinigung“ leitet sich also von  „reiner Freude“ ab -in meinem Fall.

ZWEITENS
Sie haben’s wohl mehr mit den Samen als mit den Eiern!Na, hoffentlich geht die Saat auf!

pilzrotweb2

Die roten Schwammerl wachsen, ohne, dass ich sie säe…Laut meinem Pilzbestimmungsbuch könnte es sich bei dieser Sorte um Jura- Kelchbecherlinge handeln. Die sind genießbar. Allerdings stimmen ein paar Kleinigkeiten bei den abgebildeten und den von mir entdeckten nicht ganz überein.

Würden Sie sie trotzdem testen?
Am Wochenende ist die ganze Familie zum Mahl geladen…

  Eines dürfen Sie nicht: Mich einen Feigling nennen!

  DRITTENS
Erfreuliches aus dem Essel-Museum: Am Morgen glänzt Unglück im Nebel Am Hochstand herrscht Tiefsee Des Jägers Schuss verfehlt den Schatten Er ertrinkt im Rotweinfleck
  (Herbert Christian Stöger)

   VIERTENS
Lesung Erich Pello,
12. Juni 2014, 19.30 Uhr im Alten Wirtshaus/FA ELN, Niedersulz

19. März 2014

Werte Plössnig.

Weder das Huhn noch das Ei waren vor dem Osterhasen auf dem Felde, denke ich.

Nur ein paar Schritte weiter in einem ihrer Weingärten machte ich eine interessante Beobachtung: Ihr Mann am Steuer eines grünen Traktors, eine Walze ziehend und vorne, ich war nicht betrunken, sitzen ihre Tochter und ein junger Mann in der Frontladerschaufel und säen vergnügt eine Samenmischung. So könnten himmlische Filmkomödien beginnen. In mir scheppert es jetzt noch.
Eine Etikette gab mir noch Aufschluss: Rot-, Weiss-, Gelb-, Hornschoten- und Inkarnatklee, Luzerne, Esparsette, Buchweizen, Phacelia, Malve, Ringelblume, Kornblume, Wilde Möhre und Leindotter.
samennahweb

Da lacht das Herz dazu.

P.S.:

Das Sgraffitohaus habe ich mir angeschaut. Sehr cool. Der darin wohnende Wein Journalist soll bei Ihnen in Niedersulz eine Buchpräsentation abhalten. Wann?

 

3. März 2014

 Am Rande.
eiw

ERSTENS. Es stimmt. Der Frizzante ist gerade dabei, sich zu füllen. In Kleinriedenthal wird er mit Kohlensäure versetzt.
Unweit von Kleinriedenthal liegt Oberretzbach. Dörfer mitten in Weinbergen. Am Brunnenplatz in Oberretzbach finden Sie ein Haus mit neuer Fassade, in Sgraffitotechnik gefertigt. Die darauf gekratzten Motive ranken rund um den Wein und den berauschenden Bacchus. Mit einer kleinen Ausnahme: Am linken unteren Rand können Sie einen coolen Motorradfahrer entdecken, der  – völlig unmotiviert – zwischen den stilisierten Weinblättern dahinmäandert. Dieser belustigende Anablick ist eine Reise wert! Also raus aus dem Affenkäfig und auf Richtung Norden!

ZWEITENS. Mitten auf einer Grünbrache außerhalb von Niedersulz liegt ein Hühnerei. Entweder werden mitunter auch Singvögel größenwahnsinnig und verlassen die ihnen zugeschriebenen Dimensionen oder die Hühner des Dorfes flüchten hin und wieder aus der Vertrautheit des Zentrums an die Peripherie, um dort ein Ei zu legen.

Wer brütet da was aus?
Ich bin gierig nach Tratsch und Gemunkel.

Helfen Sie mir?

Ihre Plößnig

14. Februar 2014

Liebe Plößnig!
grippalerinfektw

Unsere Berührungspunkte sind und bleiben literarischer Natur. Das hat etwas Schmeichelhaftes,
aber auch etwas Traurig-Unrealistisches. Im realen Leben „amüsiert“ mich mein grippaler Zustand. „Der Rotz“ rinnt mir aus den Augen. Da sieht die Welt ganz schön anders aus.

Momentan bin ich zwar der genüsslichen Nachempfindung nicht in der Lage, aber aus vertraulicher Quelle habe ich von einer geheimen Linhart-wein-kost in einem Kellerstübchen eines hochrangigen Exgemeindepolitikers gehört, bei der die neuen Veltliner mit sehr viel Lob übergossen wurden. Nexinger Muschelwein und der zierliche Muskateller sollen schon gefüllt sein. Der schon ewig ausverkaufte Frizzante sei schon verschnitten. Fr. Plößnig, so geht das nicht!  Ich möchte wenigstens hier in der ersten Reihe stehen. Bitte nehmen Sie mich in dieser Beziehung als Kundschaft ernst, denn selbst die süffisanteste Literatur lässt sich nicht trinken.

Ergebenst Hr.vonLinhart

 

 

30. Jänner 2014

Lieber Linhart!

stille


Die erste Zeile in Ihrem letzten Brief berührt mich . (Still. Psssst.)

Auf der Suche nach einem zumutbaren Umgang mit den ungestillten Sehnsüchten eines langen Lebens erscheinen mir so ein Satz und die Unwirklichkeit dahinter als erhellende Möglichkeit. Wenn ich mir was wünschen darf: Weiter so, Sie Alltagsheld! 

Die vergangenen drei Nächten entführen mich meine Träume in die Berge…immer wieder auf die Alm gehen wollen…immer wieder dem Wasser nach.…zu vergessenen Orten und Menschen…Auch hier parkt eine Sehnsucht.

In Wirklichkeit gehe ich zu Fuß von Niedersulz nach Kettlasbrunn. Dieser Weg dauert gleich lang wie der Flug von Wien/ Schwechat nach Montpellier. Das haben meine Tochter und ich am Sonntag herausgefunden!

M.

 

17. Jänner 2014

Liebe Plössnig!

Mein Lieblingsgedicht ist die letzte schöne Erinnerung an sie. Eines der besten „Mond dem Vulkan“ von Ingeborg Bachmann und oft im Ohr habe ich Theodor Kramers „Lass still mich bei dir liegen“.

Dass ich sie kurz vor Silvester trotz Weinkauf nicht zu Gesicht bekommen habe, gibt meiner Seele wachsamen Untrost.

Nein, böse Menschen interessieren mich genauso wenig wie brave. Ich schätze  Eigenschaften.

Die guten sind leider fad, die ehrlichen anstrengend, aber die aufmerksamen  Mischungen aus offener und standhafter Handfestigkeit liebe ich.

Das Alter an sich halte ich für eine Nebenerscheinung.
Bleiben sie an sich dran.

Ihr
Herr von Linhart

 

……….

Honig und Nüsse den Kindern,

volle Netze den Fischern,

Fruchtbarkeit den Gärten,

Mond dem Vulkan, Mond dem Vulkan

…………………..Auszug:Ingeborg Bachmann; Lieder von einer Insel, 1954

……..

 

 

24. Dezember 2013

Lieber Linhart!
weihnachten


Ihre Nachricht
klingt sehr werbend. Ist das eine Anmache?

Allein – meine drängende Frage nach Ihrem (Lieblings-)Gedicht beantworten Sie nicht!

Soll ich mich an das Christkind wenden oder die unerfüllte Sehnsucht mit GV runterspülen. Die geringe Menge des Muskatellers reicht dafür ja kaum.

Ihrem letzten Schreiben entnehme ich auch, dass Sie an Menschen interessiert sind.
Auch an den bösen?


Themenwechsel. Ich ertappe Sie in letzter Zeit des Öfteren dabei, dass Sie sich direkt lustvoll mit dem Älterwerden beschäftigen. Das berührt mich. Vor allem unangenehm. Ich bin wohl ein gehorsames Kind unserer Zeit, in der man als höchste Güter die ewige Jugend und die Gesundheit anbetet, und mich dadurch zur Sachbearbeiterin der eigenen Lebensfunktionen degradiere.

Es würde mir reichen zu lernen, ein schlechtes Leben mehr zu fürchten, als den Tod!

Frohe Weihnachten!
Auf das Leben!
P.